Zweiter Teil des Interviews mit Volkhild Klose und Andreas Güstel von Resonanzkäppchen Und Der Böse Raum über ihre musikalischen Einflüsse und Zukunftspläne.
Gerade in Deutschland gibt es ja immer noch diese krasse Trennung zwischen Hochkultur, in dem Fall klassischer Musik, und Pop. Versucht Ihr mit Eurem Hintergrund, diese Trennung ein bisschen zu überwinden?
Andreas Güstel: Pop-Musik hat ja meistens etwas mit populär zu tun, also dass es an den Markt gerichtet ist, der Musik konsumiert. Bei uns ist es notwendig, uns auf der Bühne live zu sehen. Nur die Musik zu hören, mag schön sein, aber die Krönung ist das Live-Erlebnis.
Volkhild Klose: Wenn man Pop und Klassik verbindet, muss man ganz oft aufpassen, dass man nicht zu glatt wird. Das Problem haben wir auch manchmal: schöne Klassik-Melodien und dann noch eine Pop-Harmonik drauf – das muss es immer mit etwas Fremdem oder Störendem durchbrochen werden, damit es nicht zu glatt ist.
AG: Vielleicht klappt es bei uns beiden gerade besonders gut, weil wir einen unterschiedlichen Musikgeschmack haben.
Welche musikalischen Einflüsse sind das aktuell?
VK: Ich habe früher lange Zeit Metal gehört, dann viele Singer/Songwriter und im Moment Weltmusik und Ragga. Gerade mag ich sehr rhythmische Musik und es ist mein Anspruch, mich mit neuen Rhythmen auseinanderzusetzen und in die Musik einzubeziehen. Das ist dann was anderes als das, was ich in meiner klassischen Ausbildung, sondern durch meinen Konsum von Popmusik gelernt habe.
AG: Bei mir ist zum Beispiel Rossini und Schuberts Fünfte gerade ganz groß im Kurs. Rossini hat dieses Leidenschaftliche, dieses Emotionale. Das mag absurd klingen, aber wenn die Opernakteure miteinander sprechen, dann fühlt man regelrecht was der eine dem Anderen für ein Gefühl transportieren möchte, und das begeistert mich! Diese Dramatisierung bringe ich mit ein. Aber da bremst mich dann Volkhild hervorragend. Aber ich höre natürlich auch Popmusik, das war jetzt nur ein Extrembeispiel.
Gewisse dramatische Spannungsbögen, etwa in der Dynamik oder im Ablauf, spielen bei Euren Songs schon eine Rolle?
VK: Nicht immer! Ich spreche es auch einem Lied zu, wenn es vielleicht mal durchgängig eine Stimmung transportiert. Das kann ich auch akzeptieren, aber nicht in jedem Song.
AG: Ein gutes Beispiel für Musik, die durchgängig eine Stimmung transportiert, ist ja Fahrstuhlmusik. In dem Genre wollen wir uns nicht bewegen.
VK: Es passt ja auch gar kein Klavier in einen Fahrstuhl, außer vielleicht im Krankenhaus.
Ihr habt bereits die Wichtigkeit von Auftritten erwähnt. Kommt Ihr erst live richtig zur Geltung?
AG: Musik hören ist bei mir oft nur wie Konsum. Sehe ich aber die Band live, kann ich ein bisschen in die Innenwände hineinschauen: die Gestik und Mimik, bei der man mit empfindet. Dazu dann noch der Klang und das Gesamtbild, ich denke das ist es!
Ihr habt ja beide auch im Bereich Theater was gemacht, entweder als Schauspieler oder eben in der musikalischen Begleitung. Hat das in irgendeiner Form Einfluss auf Eure Musik?
AG: Ich neige zum Karikieren, zur Überspitzung, das ist ein klassisches Element aus dem Theater.
VK: Es stimmt, wir wurden schon mal mit dem Begriff „theatralisch“ abgestempelt. Solche Elemente sind tatsächlich drin. Was ich durch meine Theaterarbeit mit in die Musik genommen habe, ist die Interaktion mit dem Publikum: das Bewusstsein, dass Du im Moment des Auftretens etwas für bestimmte Menschen machst. Ich sehe das wirklich immer als etwas Performatives, was jedes Mal neu entstehen kann. Auch in unseren Proben gibt es kleine Stimmungsänderungen. Es liegt zum Beispiel noch vor uns, etwas aufzunehmen, womit wir uns hinterher zufrieden geben.
In den letzten Jahren gab es auf internationaler Ebene einige Künstler mit klassischen Musiksozialisationen, wie etwa The Dresden Dolls, Christy & Emily oder Soap & Skin, die ihre Ausbildungen in ein Pop-Format brachten. In der musikalischen Landschaft von Deutschland kommt dies jedoch kaum vor. Würdet Ihr sagen, dass Ihr mit Eurer Musik hierzulande relativ einsam seid?
AG: Als wir angefangen haben mit Musizieren, haben wir uns keine Gedanken gemacht, was die anderen machen. Wir haben einfach nur getestet, wie wir miteinander arbeiten. Ich hatte starke Hemmungen, weil meine kommunikativen und pädagogischen Fähigkeiten nicht unbedingt die stärksten sind. Musik ist die einzige Möglichkeit, das zu kommunizieren. Da habe ich das große Glück, dass Volkhild sehr große Toleranz gegenüber meinen argumentativen Strängen hat. Aber du hast Recht: uns ist das auch gar nicht bewusst gewesen, dass das noch nicht so oft vertreten ist.
VK: Dadurch, dass wir immer versuchen, neue Sachen auszuprobieren, war uns bis vor kurzem nicht klar, ob wir wirklich in eine bestimmte Richtung gehen. Bei unseren Konzerten wird sich zeigen, wie unsere Musik ankommt. Ich hätte jetzt auch nicht sagen können, was für einen Stil wir haben – dass klassische und poppige Elemente drin sind, ist mir auch klar, aber ansonsten ist es schwer, sein eigenes Produkt zu bewerten.
AG: Deswegen freue ich mich ja so über die Kritiken: die Kritiker müssen das ja in ein Genre einordnen. Dann weiß ich endlich mal, wo wir verortet sind!
Euer Sound ist momentan noch etwas reduziert und minimalistisch mit Klavier und Gesang. Habt Ihr vor, noch mehr Instrumente einzusetzen?
AG: Vielleicht. Wobei das nur am Anfang minimalistisch wirkt: man darf nicht vergessen, dass wir vierhändig spielen, was das Instrument völlig neu erscheinen lässt. Wir nutzen es auch als Schlaginstrument oder als Fläche zur Atmosphärengewinnung. Das Tolle ist doch die Reise an sich, nicht das Ziel. Für die Zukunft können wir uns auch andere Instrumente vorstellen. Ich würde noch Blockflöte spielen, aber ich glaube das werden wir unterlassen!
VK: Ich habe wirklich noch nie jemanden Blockflöte spielen hören, wo ich gesagt hätte, das wäre mal was anderes. Nein, ich würde beim Singen und beim Klavier bleiben. Und wir hatten überlegt, mit Synthesizern zu experimentieren.
Ihr habt Ende letzten Jahres beim Song Slam in Halle gewonnen. Könnt Ihr darüber nochmal ein bisschen was erzählen? Die meisten dort auftretenden Bands hatten doch sicher eher einen anderen Stil.
VK: Es gab schon unterschiedliche Darbietungen, aber wir sind wie erwartet mit dem Klavier ein bisschen raus gefallen. Auch in der Form als Duo: wir waren die einzigen, die nicht alleine aufgetreten sind.
AG: Dass wir den Song Slam am Ende gewinnen würden, hätten wir nie erwartet. Wir hatten insgesamt nur acht Freunde dort und ungefähr siebzig bis hundert Leute waren anwesend. Der Laden war also voll, und dass die sich wirklich für uns entscheiden und quasi ihre Freunde verraten haben… Wer gewinnt, muss zum Schluss ja noch ein drittes Lied zum Besten geben. Und wir hatten nicht mal ein drittes Lied!
War die Teilnahme am Song Slam eher eine spontane Idee?
AG: Nein, wir wollten uns bei unserem Arbeitsprozess einfach mal einen Punkt setzen, an dem wir etwas Fertiges abliefern mussten. Und um zu schauen, wie es auf das Publikum wirkt.
VK: Auf jeden Fall. Sich dem Publikum stellen, das Eigene einfach mal vorzutragen. Das geht natürlich nur, wenn man einen Termin hat, an dem man Sachen fertig haben muss.
Habt Ihr vor, sowas nochmal zu machen?
VK: Es geht ja nicht darum, uns mit anderen zu messen. Es ist einfach eine sehr gute Möglichkeit, um was Neues vorzustellen.
AG: Oder den Eintritt zu sparen. Wer etwas bei Song Slams präsentiert, bekommt ein Freigetränk!
Welche Pläne habt Ihr in Zukunft? Sind für die nächsten Monate mehrere Konzerte geplant?
VK: Das wäre schön. Wir haben schon einige Orte, wo wir gerne spielen würden und wo wir auch willkommen wären. Das werden wir auf jeden Fall nutzen.
AG: Nächstes Ziel ist es, ein Album zu schaffen, um den jetzigen Stand unserer Entwicklung festzuhalten. Wenn es sich anbietet, gibt es danach vielleicht eine ganz kleine Tour.
Ihr versteht Euch also nicht nur als reine Live-Band?
VK: Es ist ja nicht so, dass wir unsere Songs nicht mögen würden. Wenn wir irgendwas neu produziert haben, können wir uns das durchaus auch anhören! Ich bin gespannt, was bei diesen ganzen Verfeinerungen und Glättungen heraus kommt.
AG: Letztendlich wird es uns in drei Monaten natürlich bei iTunes geben. Daran werden wir auf keinen Fall vorbei kommen. Dass das natürlich die Qualität eines Live-Konzerts nicht ersetzt, dafür werden wir schon sorgen!
Ihr strebt dann auch gleich ein Album an, also nicht erstmal ein paar Singles? Da gibt es ja auch immer eine gewisse Dramaturgie, die an das Format gekoppelt ist.
VK: Ich könnte mir vorstellen, dass das, was wir gerade in dieser kurzen Zeit produzieren, gutes Material für ein Album sein könnte.
AG: Bei uns wird es stetig so sein, dass wir Entwicklungsphasen haben. Wir werden experimentieren – wenn man verfolgt, wie wir bis jetzt gearbeitet haben, dann wird es Veränderungen in der Musik geben.
Da Ihr auch schon mit verschiedenen Leuten in andere Projekten Musik gemacht habt: würdet Ihr sagen, dass Ihr in der jetzigen Konstellation längerfristig zusammen arbeitet?
VK: Ich denke schon. Wir stecken einfach schon mittendrin und ich bin mir nicht sicher, ob man da jetzt einfach so wieder raus kann, ohne das restliche Leben mit furchtbaren Defiziten fortzuführen.
AG: Wenn Volkhild heute zu mir sagt, dass sie Schluss machen und irgendwo nach Bayern oder in die Schweiz ziehen möchte, hätte ich damit wahrscheinlich ein Problem. Ich würde sie wahrscheinlich stalken!
VK: Ich habe bisher auch sonst noch niemanden gefunden, mit dem das so gut gelaufen ist. Man kam bis zu einer bestimmten Stelle, aber dann haperte es wirklich daran, es weiter zu bearbeiten und wirklich Songs draus zu machen.
AG: Diesen Punkt, an dem man weiß, wann der Song fertig ist, erkennt man komischerweise meistens gleichzeitig. In der Musikwissenschaft würde man sagen, okay, das ist jetzt eine typische Komposition, die hat jetzt diesen bestimmten Schluss. Wenn man es schreibt, kann man es aber jederzeit ändern, und trotzdem wissen wir dann, was an einer bestimmten Stelle gerade richtig ist. Dieses Empfinden für das Richtige ist schon was Besonderes.
Danke für das Gespräch und viel Erfolg für Euer weiteres musikalisches Schaffen!
Interview: Matthias Freytag